Sonderausgabe. DEUTSCHLAND - RUSSLAND. PERSPEKTIVEN AUF DIE KUNST- UND MUSEUMSSZENE

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Grüße

Grüße an die Leser von: Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Russischen Föderation Geza Andreas von Geyr, Sonderbeauftragter des Präsidenten der Russischen Föderation für internationale kulturelle Zusammenarbeit Michail Schwydkoi, Präsident Vi Holding, Hauptsponsor des Magazins Vitali Maschtschizki, Leiterin des Goethe-Instituts Moskau und der Region Osteuropa und Zentralasien Dr. Heike Uhlig, Generaldirektorin der Staatlichen Tretjakow-Galerie Selfira Tregulowa.

TRÄUME VON FREIHEIT. Romantik in Russland und Deutschland

Ljudmila Markina*

Die Ausstellung „Träume von Freiheit. Romantik in Russland und Deutschland", ein Kooperationsprojekt der Staatlichen Tretjakow-Galerie (STG) und der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), ist eines der Schlüsselereignisse des Deutschlandjahrs in Russland 2020/21. Diese Epoche zwischen 1800 und 1848 war sowohl in Russland als auch in Sachsen besonders geprägt von einem vehementen Freiheitsdrang in Staat, Gesellschaft und Kunst.

RUSSISCHE IKONEN IN DEUTSCHLAND: Die Ausstellungen des Jahres 1929

Anastassija Lischnewskaja

1929 kam es in Deutschland zu einem Kulturereignis mit großer internationaler Resonanz: Eine Ausstellung altrussischer Ikonen, die zu diesem Zweck ihr Ursprungsland verlassen hatten, wurde in vier deutschen Städten - Berlin, Köln, Hamburg und München - gezeigt. Das Thema der Ausstellung mag für den sowjetischen Staat mit seiner aggressiv antireligiösen Politik ungewöhnlich erscheinen. Doch hatte diese Entscheidung eine ganze Reihe von Gründen.

DIE TÜR ZUM WESTEN

Natalija Awtonomowa*

Im Oktober 2022 jährt sich die Eröffnung der Ersten Russischen Kunstausstellung in der Berliner Galerie van Diemen & Co. zum hundertsten Mal. Die Bedeutung dieser umfangreichen Kunstschau für Russland und für Westeuropa ist schwer zu bewerten: Zweifellos spielte sie für die Entwicklung der europäischen Kunst in den 1920er- und 1930er-Jahren eine entscheidende Rolle. Durch militärische Konflikte und revolutionäre Ereignisse zunächst voneinander isoliert, hatten Künstler*innen verschiedener Länder schon bald wieder freundschaftliche Kontakte aufgenommen und einen regen kulturellen Austausch begonnen. Es folgte eine Welle von Avantgarde-Ausstellungen, sodass sich Künstler*innen nun auf internationale Reisen begaben. Die russische gegenstandslose Kunst - Malewitschs „Suprematismus“ und Tatlins „Protokonstruktivismus“ - gewann an Bekanntheit und verbreitete sich frei in der globalen Kunstszene, wobei die mächtigen Auswanderungsbewegungen diesen Prozess zweifellos beförderten.

WAHLVERWANDTSCHAFTEN. Die Russische Avantgarde im Spiegel deutscher Ausstellungen

Hubertus Gaßner*

Die kurze, aber mit schöpferischer Energie geladene Epoche der Russischen Avantgarde hat auch im Westen einen Siegeszug erlebt - nicht ohne Wirren und Hindernisse. Der Austausch zwischen deutschen und russischen Museen, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen zu Beginn des Jahrhunderts wurde erst in den 1970er-Jahren wiederbelebt: Mit vielbeachteten Ausstellungen, die ungesehene Werke und Künstlerinnen erstmals vorstellten, ein differenziertes Bild der verschiedenen Strömungen zeichneten oder, wie eine aktuelle Schau im Kölner Museum Ludwig, mutig das Thema „Original und Fälschung“ angehen.

DER OSTEN IM WESTEN. Neue Blicke auf die Kunstproduktion in der DDR

Christoph Tannert*

Auch dreißig Jahre nach Ende der DDR sind Ost und West nicht auf Augenhöhe angekommen. Das gilt für die ökonomischen Lebensverhältnisse, aber auch für die ostdeutsche Kunstproduktion: Während „die DDR-Kunst“ lange pauschal auf Staatskünstler hier und tapfere Dissidenten dort reduziert wurde, werfen jüngste Ausstellungen und Museumspräsentationen einen neuen, differenzierten Blick auf die ostdeutsche Kunst. Höchste Zeit, findet Christoph Tannert - und plädiert für gegenseitige Anerkennung und eine Umwertung des Kanons.

PROPYLÄEN IN UMGEKEHRTER PERSPEKTIVE

Alexander Rozhin*

Das Deutschlandjahr in Russland ist kein alltägliches Unterfangen, keine protokollarische Randnotiz. Es greift „Taten längst vergangener Tage“ (Puschkin) auf und entwickelt sie unter den heutigen Bedingungen weiter. Die Beiträge dieser Ausgabe berichten von russisch-deutschen Kunstbeziehungen über fast 200 Jahre hinweg. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Zeit von den 1920er-Jahren bis zur Gegenwart, wobei die tragischen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs ausgeklammert werden. Ziel dieses einleitenden Textes ist es, die Leser*innen an die bedeutendsten und interessantesten Begebenheiten dieser bilateralen Partnerschaft zu erinnern, an denen der Autor selbst aktiv beteiligt war bzw. deren Zeuge er sein durfte.

DAS VORWÄRTS GEDACHTE MUSEUM. Ein Gespräch mit Susanne Pfeffer und Yilmaz Dziewior

Melanie Weidemüller

Die Entwicklungen und Themen unserer Zeit beschäftigen auch Künstlerinnen und Museen. Zwei der prominentesten Persönlichkeiten im deutschen Kunstbetrieb sind derzeit Susanne Pfeffer, Direktorin des MUSEUM MMK FÜR MODERNE KUNST in Frankfurt, und Yilmaz Dziewior, Direktor des Kölner MUSEUM LUDWIG. Beide stehen für einen entschiedenen Kurs der Öffnung und Erneuerung der Institution Museum. Im Interview stellen sie ihre Häuser vor und sprechen über gesellschaftliche Vielfalt, Antirassismus, Ökologie und das seismografische Gespür von Künstlerinnen für die Gegenwart. Melanie Weidemüller: Frau Pfeffer, als Kunsthistorikerin haben Sie Ihre Abschlussarbeit interessanterweise über das Mittelalter geschrieben, dann aber beruflich eine klare Entscheidung für die zeitgenössische Kunst getroffen. In diesem Bereich haben Sie inzwischen rund 70 Ausstellungen kuratiert. Ich erwähne als vielbeachtete Ereignisse Inhuman in Kassel, Anne Imhof im Deutschen Pavillon auf der Biennale Venedig 2017 oder die Künstlerin Cady Noland, mit der Sie 2018 Ihre Amtszeit in Frankfurt eröffnet haben. Was hat Sie geprägt und zu Ihrem eigenen Ansatz geführt?

„WIE TRÄCHTIGE FLUSSPFERDE“. Ethnografische Museen und das Erbe des europäischen Kolonialismus: Umrisse einer Debatte

Gesa Grimme*

Eine alte Bibel aus Namibia, eine Maske aus Kamerun, ein Speer aus Neuguinea, sogar menschliche Gebeine: In Ethnologischen Museen werden tausende Objekte aus Afrika, Asien oder der Südsee aufbewahrt. Doch was ist die reale Geschichte dieser Dinge, was bedeuten sie, wem gehörten sie und wie kamen sie nach Europa? Im Zuge des postkolonialen Diskurses der vergangenen Jahre hat sich nicht nur der Blick auf „fremde“ Kulturen grundlegend verändert, sondern auch die Praxis im Umgang mit dem kolonialen Erbe und das Selbstverständnis ethnologischer Museen. Eine Provenienzforscherin gibt Einblick in diese für Deutschland zurzeit sehr aktuelle und höchst kontrovers geführte Debatte.

ALLE FÜR KULTUR! Gemeinnützige Kunstvereine: Ein deutsches Erfolgsmodell?

Meike Behm*

Mit heute rund 300 Institutionen in Deutschland sind Kunstvereine eine wichtige Plattform zur Vermittlung zeitgenössischer Kunst. Kunstvereine fungieren als Schnittstelle zwischen freien Projekträumen, Galerien und Museen sind Karrieresprungbrett für Künstlerinnen und Kurator*innen und werden getragen vom privaten Engagement einer kunstinteressierten Bürgerschaft. Vor allem aber bieten sie der zeitgenössischen Kunst eine offene Bühne - und das seit mehr als 200 Jahren. Ein Blick zurück und nach vorn.

FOKUS KUNSTSZENE BERLIN. Die Stadt, die sich immer wieder neu erfindet

Stefanie Gerke*

Die Goldenen 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts sind Erinnerung, die geteilte Stadt seit dreißig Jahren wiedervereinigt. Heute ist Berlin die wichtigste deutsche Kunstmetropole, ein Magnet für Kulturschaffende, Künstlerinnen und Lebenskünstlerinnen, vor allem aber eine Baustelle in ständiger Veränderung. Ein aktueller Blick auf die Historie und die freie Kunstszene Berlins, wo jenseits der großen öffentlichen Museen das Neue entsteht.

DER KÖRPER UND DIE DIGITALE LOGIK. Konfliktuelle Performance in unserer Zeit: Die Künstlerin Anne Imhof

Georg Imdahl*

In den letzten fünfzehn Jahren hat die Performance-Kunst einen neuen Ton in der zeitgenössischen Kunst gesetzt. Eine der interessantesten deutschen Künstlerinnen in diesem Feld ist Anne Imhof, deren interdisziplinäres Werk Installation, Performance, Musik und Malerei zusammenführt. Mit ihrer fünfstündigen Performance Faust im Deutschen Pavillon der Biennale Venedig 2017 wurde Anne Imhof international bekannt - und polarisiert das Kunstpublikum nach wie vor.

ANTIMONUMENTE AM BEGINN DES 21. JAHRHUNDERTS: Isa Genzken und Irina Korina

Daniel Bulatov*

Vergleicht man die deutsche und russische Kunstszene der vergangenen zwei Jahrzehnte, so finden sich auf den ersten Blick nicht allzu viele Gemeinsamkeiten: Auf der einen Seite ist da der deutsche Kunstmarkt - einer der führenden der Welt -, auf der anderen die zeitgenössische Kunst Russlands, die allmählich die Faszination des Neuen - ein Rudiment der Perestroika-Zeit - in der Welt verliert, ihren provinziellen Minderwertigkeitskomplex aber noch nicht überwunden hat. Umso interessanter ist es, wenn man in diesem Zusammenhang in der deutschen und russischen Kunst auf durchaus ähnliche, aber unabhängig voneinander entstandene Phänomene stößt. Eines der auffälligsten Beispiele für eine solche Parallelität ist, wie sich die künstlerischen Methoden Isa Genzkens (Jahrgang 1948) und der 1977 geborenen Irina Korina ab Mitte der 2000er- bis Anfang der 2010er-Jahre in einer Reihe von Aspekten einander angenähert haben. Aufgrund der unterschiedlichen Lebensumstände der beiden Künstlerinnen sind in ihren Arbeiten kaum gemeinsame Themen und Motive zu finden. Was sie eint, ist die Methode, nach der sie ihre Materialien wählen, zum Teil auch ihr formgestalterisches Denken - vor allem aber jene tiefgreifende Neuinterpretation, die bei ihnen die Begriffe Skulptur und Installation erfahren.

 

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